In der Kraft bleiben

In meinen Trainings für Menschen in helfenden Berufen erlebe ich gelegentlich, dass Teilnehmer in einem Zwiespalt stecken. Manche Ärzte verlieren zum Beispiel ihre frühere Motivation und werden zu ihren Patienten weniger authentisch und eher distanziert. Überdurchschnittlich viele Therapeuten geraten in Verdrängungsmechanismen wie z.B. Süchte oder spüren zunehmende Erschöpfung. Von der anderen Seite her vermissen Patienten dementsprechend oft das ehrliche Interesse und die echte Zuwendung ihres Arztes. 

 

Was passiert da eigentlich? Wenn Therapeuten kaum noch Freude daran haben, sich um ihre Patienten zu kümmern, dann ist oft der Hintergrund, dass sich eine innere Gegenwehr gegen das ständige „für andere da sein“ aufgebaut hat, eine Art Bedrücktheit oder sogar ein Ärger, der letztendlich darauf beruht, dass eigene Bedürfnisse nicht erfüllt sind oder nicht einmal richtig gesehen werden. Der Mangel umfasst manchmal viele Lebensbereiche:   

Ø  Ruhe bzw. Erholung und Leichtigkeit,

Ø  private Kontakte und Beziehungen,

Ø  tragfähige Lebenspartnerschaften und Familie,

Ø  wirtschaftliche Sicherheit,

Ø  Rückhalt in den Institutionen die den Rahmen des ärztlichen Alltags formen,

Ø  faire Anerkennung,

Ø  Erfolgserlebnisse angesichts unheilbarer Patienten

Dies und mehr ist manchmal unerfüllt. Der ärztliche Alltag bringt viele Anlässe mit sich, über die man sich ärgern kann, über die man frustriert sein oder sogar verzweifeln kann. Und darauf ist kaum jemand vorbereitet.

Schule, Studium und alle Phasen der ärztlichen Ausbildung erziehen dazu, die eigenen Bedürfnisse möglichst zu verdrängen und sich vorwiegend darum zu kümmern, was andere erwarten. Die meisten Strategien, die unsere Kultur zur Selbstfürsorge anbietet, bestehen aus Ablenkung und Durchhalten – im Sinne von „ich muss weiter machen“. Doch verdrängter Ärger, verdrängte Enttäuschungen und das Abrutschen vom „ich will“ zum „ich muss“ können Ihre Integrität untergraben. Zum Beispiel können sich eben im Kontakt mit Patienten die angesprochenen Routinen einschleichen, bei denen Empathie und Fürsorge nur noch wenig Platz haben. Das ist schade für alle Beteiligten.

 

Eine Mutter, die ihr Kind stillen möchte, braucht zuerst selbst genug Nahrung. Und Sie brauchen als Therapeut selbst eine Menge Zuwendung und Verständnis, damit Sie sich empathisch um Ihre Patienten kümmern können.

Wie können Sie also die innere Ruhe und das Verständnis bekommen, die Sie brauchen? Wie können Sie sich von ärgerlichen Gedanken befreien, statt sie nur zu beiseite zu schieben?

 

Sehr hilfreich sind stabile und erfüllte Beziehungen, wo Sie aufrichtig über Sorgen reden können und Verständnis kriegen. Unterstützend sind vor allem Gespräche mit Menschen, die vermeiden, Ihnen ungebetene Ratschläge zu geben, und die aufrichtig verstehen wollen, was Sie bewegt und worum es Ihnen geht. Ihr soziales Netz zu pflegen ist daher eine der effektivsten Maßnahmen zur Selbstfürsorge. Das Image als Helfer erschwert es leider oft, selber Hilfe annehmen zu können oder von den anderen Hilfe angeboten zu kriegen.  Und nicht jeder Ansprechpartner kann auch immer auf hilfreiche Weise zuhören. Das heißt, für den Einen oder die Andere reichen die vorhandenen Beziehungen als emotionale Stütze nicht aus.

 

Doch sogar in Situationen, in denen zunächst keine andere Person greifbar ist, bleiben Sie immer noch für sich selbst verfügbar. Ein mächtiges Werkzeug ist Selbstempathie. Das bedeutet, Sie achten selbst bewusst darauf, wie es Ihnen geht und worum es Ihnen wirklich geht.  Wenn Sie wissen, wie Sie Ihre eigenen Anliegen klären, dann können wenigstens Sie selbst mit sich verständnisvoll und wertschätzend umgehen. Das ist ein wirksamer Weg, um sich von ärgerlichen oder auch depressiven Gedanken zu befreien. 

Sebstempathie ist ein kraftvoller Schritt, mit dem Sie Ihr Leben in eine erfüllte Richtung wenden bzw. wie Sie im Alltag für Ihre Zentrierung und Ressourcen sorgen. Selbstempathie bringt Sie - wenn Sie "außer sich geraten" waren - zu sich selbst zurück. Aus Ihrer Mitte treten Sie klar und authentisch auf. Ihre Beziehungen verbessern sich dadurch, und Sie erhalten auf diese Weise weiteren Rückenwind für eine positive Richtung.

Selbstempathie bedeutet auch, alle Gedanken von „ich muss“ zu überwinden und zum „ich will“ zurückzufinden – also zu Freude, Motivation und selbstbestimmter Lebendigkeit.

Dazu brauchen Sie vielleicht ein bisschen Anleitung und Übung, wofür ich Sie sehr gerne begleite. 

 

Falls Sie gern lesen, empfehle ich Ihnen: Praktische Selbst-Empathie von Gerlinde R. Fritsch.